Wem sagen „Blauer Kölner“ oder „Förster Sauer“ etwas? Bei den Namen geht es nicht um einen Karnevalisten oder einen beleidigten Forstwirt – sie bezeichnen vielmehr alte Apfelsorten, die schon vor langer Zeit aus den Supermärkten verschwunden und mit etwas Glück noch auf regionalen Märkten zu finden sind.
Viele alte Obstsorten sind in den letzten Jahrzehnten verschwunden. Teils durch den Klimawandel, die veränderte Landnutzung oder auch durch das Verbraucherverhalten, bei dem makellose Früchte den Vorzug erhalten. Michael Heißenberg hat sich mit seiner gemeinnützigen Organisation Zeitlupe dem Erhalt alter Obstsorten sowie von Kunst und Kulturgütern verschrieben. Seit der Gründung im Jahr 2018 konnten schon über 5.500 Obstbäume, vorwiegend alte Apfel- und Birnensorten, neu gepflanzt oder alte Baumbestände gesichert werden.
Auf mehr als 90 Flächen – darunter Biohöfe in Schleswig-Holstein und sogar auf dem Ohlsdorfer-Friedhof – befinden sich die Pflanzungen der Initiative. „Wir sind immer auf der Suche nach neuen Partnern – gerne auch Landwirte aus der Region“, sagt Michael Heißenberg. Pro Baum wird eine Fläche von rund 10 x 10 Metern benötigt. Nach 7 Jahren können die ersten Früchte geerntet werden. Jeder Partner verpflichtet sich, die Bäume zu pflegen, damit später Edelreiser (einjährige Triebe) weitergegeben werden und so neue Bäume entstehen können.
„Viele der alten Sorten sind deutlich weniger krankheitsanfällig und zudem resistenter gegen Hitze und Trockenheit. Angesichts des Klimawandels wird das Wissen um die alten Sorten für uns sehr wertvoll sein. Zudem können wir mit unserem Tun dem Niedergang der Artenvielfalt etwas entgegensetzen“, erklärt Michael Heißenberg. „Außerdem werden viele alte Sorten von Allergikern gut vertragen.“
Mit 19 Jahren half der Initiator als Assistent von Joseph Beuys, 7000 Eichen für die documenta 1982 in Kassel zu pflanzen. „Die Begeisterung von damals hat in den letzten 30 Jahren in mir geschlummert, während ich verschiedene Unternehmen aufgebaut habe“, berichtet der inzwischen 66-Jährige. „Jetzt kann ich dem Ganzen wieder mehr Zeit widmen. In den Wintermonaten veredele ich abends neue Bäume. Teilweise bis zu 150 Stück pro Abend.“
Neben dem Einsatz für den Obstsortenerhalt kümmert sich die Initiative auch um Kunstwerke aus dem Norden. Dazu gehören eine 600 Bilder umfassende Sammlung von Günter Radtke sowie Werke von Wilhelm Eigner. „Unsere Arbeit soll dazu beitragen, dass diese Schätze erhalten bleiben“, so der Kunstbegeisterte.
Für die Zukunft hat der ehemalige Unternehmer noch viel vor: „Unser Ziel ist es, bis zu 10.000 Bäume hier im Norden zu pflanzen. Ein bisschen mehr als die Hälfte haben wir schon geschafft. Für die nächsten Schritte suchen wir Flächen, Kooperationspartner und Förderer sowie Menschen, die mit Spenden unsere Ziele unterstützen“, so Heißenberg.
Stand: September 2024